Review: Conor Oberst – Ruminations
Geplant war das nicht: Eigentlich wollte Conor Oberst ja noch mit den wiederbelebten Desaparecidos auf Tour gehen, doch dann machte ihm die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung, und er fand sich plötzlich mit einem langen Winter im heimischen Omaha konfrontiert.
Wer jetzt „If Winter Ends“ von „Letting Off The Happiness“ (1999) im Ohr hat, liegt sicher nicht falsch. Conor Oberst nutzte die Zeit der Rekonvaleszenz zuhause nämlich, um mal eben in 48 Stunden zusammen mit seinem langjährigen Wegbegleiter Mike Mogis ein neues Album aufzunehmen.
„Ruminations“ erinnert dabei tatsächlich frappierend an die Frühwerke des Musikers. Fans, die auf den letzten Alben von Conor Oberst die rohe Intensität, die Zerbrechlichkeit und die Magie des Unperfekten vermisst haben, die Alben wie „Fevers & Mirrors“ und „Lifted…“ ausgezeichnet haben, werden beim ersten Hören von „Ruminations“ sicherlich innerlich Saltos schlagen.
Alleine zu Klavier und Gitarre singt Conor Oberst die zehn Songs mit eben jener schwankend-brüchigen Stimme, die gerade auf dem letzten Werk „Upside Down Mountain“ zwischen allzu ausgeklügelten Arrangements und harmoniesuchendem Perfektionismus zu oft verloren ging. Nichts lenkt mehr von den Lyrics ab, die wie immer bei Conor Oberst die volle Aufmerksamkeit des Hörers verdienen.
Natürlich ist aus dem verzweifelten Teenager der Anfangsjahre inzwischen ein verheirateter Mittdreißiger geworden, doch das heißt nicht, dass er deswegen weniger berührt. Inhaltlich geht es auf „Ruminations“ auch weiterhin um Einsamkeit, Freundschaft und seelische Abgründe.
Exemplarisch sei hier nur der letzte Song „Till St. Dyphma Kicks Us Out“ herausgegriffen: „You don’t have to lie, say you’re alright/we’re just happy that you’re here/but if you yell and tell me to go to hell/at least you’d sound sincere. […] If you need some company/I’ll gladly stick around/and we can drink until St. Dyphma kicks us out“.
Politische Statements sucht man mit wenigen Ausnahmen („A Little Uncanny“) vergeblich, aber dafür gab es im letzten Jahr ja auch „Payola“. Stattdessen widmet sich Oberst auf Ruminations diesmal der Rückschau, der wie immer kritischen Selbstanalyse:
„I met Lou Reed and Patti Smith/it didn’t make me feel different/ I guess I lost all my innocence way too long ago.“ („Next Of Kin“). Die Selbstreflektion und innere Zerissenheit wird durch die sparsame Instrumentierung nahezu physisch greifbar, was Ruminations gleichermaßen verstörend und besonders macht.
Tracklist:
01. Tachycardia
02. Barbary Coast (Later)
03. Gossamer Thin
04. Counting Sheep
05. Mamah Borthwick (A Sketch)
06. The Rain Follows The Plow
07. A Little Uncanny
08. Next Of Kin
09. You All Loved Him Once
10. Till St. Dymphna Kicks Us Out
Conor Oberst: Ruminations
Vö: 14.10.2016 / Warner