Maifeld Derby 2015

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Review: Maifeld-Derby 2015, Mannheim (22.05.2015-24.05.2015)

Liebes Maifeld-Derby, bereits zum fünften Mal durften wir mit dir zusammen ein wunderschönes Wochenende in unserer Stadt verbringen. Auch in diesem Jahr hast du uns nicht enttäuscht, und wenn wir was zu „meckern“ hatten, dann sicherlich nur auf höchstem Niveau. Du bist jetzt endgültig eines von den ganz Großen und wir freuen uns schon sehr auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr.

Neuer Besucherrekord, perfektes Wetter, mitreissende Musik: Das war das 5. Maifeld-Derby am Pfingstwochenende vom 22.05.15-24.05.15 auf dem Gelände des Mannheimer MVV-Reitstadions. Beim Mini-Jubiläum überzeugte unser kuscheliges Lieblingsfestival auch dieses Jahr wieder mit familiärer Atmosphäre, liebevollen Details und einem hervorragenden gastronomischen Angebot. Am schon mehrfach kritisierten Konzept der „Derby-Dollar“ hat sich allerdings auch in diesem Jahr leider nichts geändert. Auch wenn die Vorteile des Systems aus Sicht der Veranstalter durchaus nachvollziehbar sind, wären doch zumindest ein paar zusätzliche Umtauschstellen wünschenswert, da es gerade am ersten Tag hier zu enormen Schlangen mit Wartezeiten von bis zu einer Stunde kam. Besonders zu loben ist dagegen das allzeit freundliche Personal an allen Orten, das selbst am dritten Tag und nach wahrscheinlich hundert konfiszierten Flaschen später immer noch gelassen blieb.

Das musikalische Programm ließ auch dieses Jahr wieder kaum Wünsche offen und deckte die gesamte Bandbreite an moderner Indie-Musik ab. Bei der Auswahl der Headliner stand – unserer Meinung nach – die Massentauglichkeit zwar ein bisschen zu sehr im Vordergrund: Trotzdem gehörten für den Großteil des Publikums die Auftritte des schwedischen Singer/Songwriter José González (Foto) am Freitag und der irischen Popikone Róisín Murphy am Sonntag zu den Höhepunkten des Festivals. Über den Auftritt der schottischen Post-Rock-Legende Mogwai am Samstagabend im Palastzelt wollen wir an dieser Stelle auch keine großen Worte verlieren – denn die können einfach nicht anders als gut. Und da es bei über siebzig Künstlern und Bands auf vier Bühnen auch einfach unmöglich ist alles und jeden zu sehen, stellen wir euch jetzt hier unsere Highlights der drei Tage im derbytauglichen Galopp vor:

Freitag, 22.05.2015

Bereits am frühen Abend des ersten Festivaltags steht mit der australischen Band Ball Park Music ein erster Höhepunkt an. Das Quintett aus Brisbane spielt abwechslungsreichen Indiepop und hätte sich einen späteren Slot verdient gehabt. Direkt im Anschluss kommt die erste Neuentdeckung für uns, denn See Through Dresses sind uns bislang nicht bekannt gewesen. Die junge Band aus Nebraska wirbelt über die Bühne und hinterlässt mit ihrem Sound, der uns sehr an 90er-Jahre-College-Rock-Bands wie Sonic Youth erinnert, einen bleibenden Eindruck.

Leider verpassen wir dadurch den zeitgleich ablaufenden Auftritt von Ghostpoet, der beim Publikum im Palastzelt sehr gut anzukommen scheint. Anschliessend freuen wir uns sehr auf das Konzert einer unserer Lieblinge: Motorama bespielt die Fackelbühne – und kann unsere (hohen) Erwartungen leider nicht erfüllen. War die Band aus dem russischen Rostow am Don im letzten Jahr eines der Highlights des Maifeld-Derby in einem frenetisch feiernden Brückenaward-Zelt, wirkt der Auftritt in diesem Jahr auf der Open-Air-Bühne zwar lebendig vorgetragen, aber bleibt trotzdem etwas „blutleer“.

Da der Autor dieser Zeilen bei Musik im Stile von Gisbert zu Knyphausen leider akute Darmverstimmungen bekommt, ist es an der Zeit die kulinarischen Genüsse des Derby zu geniessen – die tun dem Magen nämlich ziemlich gut – und das Konzert des Liedermachers, übrigens das deutsche Wort zu Singer/Songwriter, leider zu verpassen. Abschliessend wollen wir noch den sehr erfreulichen Auftritt der Allah-Las erwähnen, denn die erzeugen mit ihrem psychedelisch angehauchten Retrosound Wärme im Herzen und verzaubern uns mit kalifornischem Strandfeeling, während wir leicht fröstelnd vor der Open-Air-Bühne stehen. Etwas ermüdet verlassen wir zu den Klängen von José González das Festivalgelände – dieser kann uns leider auch nicht mehr richtig wachrütteln.

Samstag, 23.05.2015

Der nächste Tag des Maifeld-Derby beginnt für uns leider aus beruflichen Gründen etwas später und so treffen wir erst zum Auftritt von The Soft Moon auf dem Gelände ein. Luis Vasquez und seine Mitstreiter spielen ein engagiertes Set; er schreit seine Verzweiflung heraus und das Publikum im Palastzelt dankt es der Band mit begeistertem Applaus – für uns ein frühes Highlight des Tages. Direkt im Anschluss an diesen mitreissenden Gig geht es gleich wieder zur Fackelbühne hinüber, wo The Rural Alberta Advantage es etwas langsamer und ruhiger angehen. Der typisch kanadische Sound der Band und vor allem die sehr gute Performance von Sänger Nils Edenloff und Drummer Paul Banwatt lassen den Nachmittag bei gutem Wetter entspannt ausklingen.

Sizarr spielen im Palastzelt einen sehr soliden Auftritt, der die Zuhörer begeistert – aber eine wirklich erstaunliche Band ist (leider) zeitgleich im Brückenaward-Zelt zu hören: die deutsch-holländisch-belgische Band sitzt um eine grosse Kesselpauke versammelt und spielt ein beeindruckendes Wechselbad aus majestätisch langsamen und zärtlichen, entfesselten und mit wütender Rohheit gespielten Klängen. Unsere Meinung: Wenn ◯ an diesem Tag mit dem späteren Headliner Mogwai die Plätze getauscht hätten, wäre es wahrscheinlich niemandem gross aufgefallen.

Die folgenden Auftritte von Brand New und Archive werden vom Publikum gefeiert, auch wenn der Stil der Bands nicht unterschiedlicher sein könnte. Aber sowohl der emotionale Alternative-Rock der Band aus New York, als auch der vertrackte Trip-Hop-Art-Rock-Sound der Formation aus London können uns nicht richtig mitreissen und deshalb ziehen wir uns etwas zurück, um dem entspannten Indie-Prog-Folk von Musée Mécanique aus Portland zu lauschen. Der „Parcours D’Amour“ bietet dafür die passende Kulisse – schön, dass es auch diese Bühne beim Maifeld-Derby gibt.

Gerade noch rechtzeitig zum Konzert von Foxygen kehren wir zur Fackelbühne zurück und erleben eine weitere Überraschung. Die Show der Band aus Agoura Hills in Kalifornien ist schrill und überdreht, eine Mischung aus Gospel-Messe und Alice-Cooper-Rockzirkus. Sänger Sam France turnt auf der Bühne umher, und die drei Background-Sängerinnen sind bei den Ikettes in die Schule gegangen. Grosses Kino – da verkommt der perfekte, sehr funky gespielte Auftritt der Band manchmal leider etwas zu sehr zur Hintergrundmusik. Wir sind trotzdem begeistert und freuen uns nun auf den nachfolgenden Auftritt von Mogwai – für uns das letzte Konzert dieses Abends. Seit zwanzig Jahren sind die Schotten nun schon unterwegs auf den Bühnen dieser Welt und auch heute gelingt es den Glasgower Postrockern mühelos, eine faszinierende Atmosphäre im Palastzelt zu erschaffen. Fast achtzig Minuten spielt die Band, mal leise, zumeist aber brüllend laut – Mogwai werden einfach nie langweilig.

Sonntag, 24.05.2015

Der Sonntag beginnt für uns mit dem Auftritt der Arkells. Die haben das Publikum vor der Fackelbühne schon am frühen Nachmittag fest im Griff und überzeugen mit einer sehr sympathischen Bühnenpräsenz und rockigen Songs, die deutlich beeinflusst sind von Tracks der Marke Springsteen und dem juvenilem Draufgängertum der frühen Gaslight Anthem. Direkt im Anschluss kann man den derzeitigen Toursupport der Arkells bewundern: die niederländische Band Taymir spielt jugendlich ungestümen Indie-Rock und sieht aus wie das perfekte Rolemodel für den modernen „Modernisten“. Alleine dafür bleiben wir Taymir bis zum Ende ihrer Show treu und verlassen das Brückenaward-Zelt nicht. Dadurch verpassen wir leider den Auftritt von Astronautalis, der nach Aussage des Festivalmachers Timo Kumpf, der kurz an uns vorbeihuscht, ein beeindruckendes Set abgeliefert haben muss.

Bei sonnigem Wetter schlendern wir etwas über das Festivalgelände und sehen uns die letzten Teilnehmer der diesjährigen Steckenpferd Dressur an; denn die gleichzeitig auf der Fackelbühne spielenden Waxahatchee um Sängerin Katie Crutchfield machen etwas vor sich „hinleiernden“, 90er-Jahre inspirierten Indie-Rock und das taugt uns leider nur als beiläufige Beschallung. Wir freuen uns auf die nächste Band: Die dänischen Art-Rocker Mew spielen jetzt im Palastzelt – und haben das gleiche Problem wie Archive am Tag zuvor. Zwar gelingt der Formation um Sänger Jonas Bjerre ein technisch hochwertiges Konzert, doch alles klingt etwas zu glatt und kann uns emotional nicht richtig mitnehmen. Etwas desillusioniert verlassen wir die Mainstage – und das ist gut so.

Denn so erleben wir noch die letzten Töne von Drangsal im Brückenaward-Zelt. Die verdammt junge Band um Sänger Max Gruber aus Herxheim spielt ein fast schon zu kurzes Set und klingt nach unseren Helden aus vergangenen Zeiten – nur moderner. Manchmal zwar noch etwas holprig ausgeführt, aber daraus könnte etwas Grosses werden. Wir bereiten uns nun auf das für uns letzte Konzert des Tages vor, denn gleich werden Wanda auf der Fackelbühne spielen.

Die fünf Österreicher um Sänger Marco – der uns gerne auch das Telefonbuch in seinem Wiener Schmäh vorlesen dürfte – haben das Publikum, das sich bereits zum Soundcheck zahlreich vor der Open-Air-Bühne versammelt hat, fest im Griff. Die Band, die sich angeblich nach dem berühmten Wiener Original Wanda Kuchwalek benannt hat, spielt sich mit ihrem Indie-Rock-Trifft-Austropop-Sound in die Herzen der Zuhörer. Immer wieder macht ein „Amore“ die Runde, lange bevor Wanda endlich ihren Hit „Bologna“ anstimmen, den die Menge laut mitsingt. Für Menschen mit bajuwarischen Migrationshintergrund wie uns hat dieser Chor und sein Kampf mit der Sprachbarriere noch einen zusätzlichen Charme. Der Auftritt von Wanda macht einfach Spass – eigentlich sind die Wiener die heimlichen Headliner des Sonntags.

Nach dem gefeierten Konzert von Wanda müssen wir leider schon das diesjährige Maifeld-Derby verlassen – Koffer packen und einen (verdammt frühen) Zug erwischen ist angesagt – und verpassen dadurch leider noch einige interessante Bands: Hier seien vor allem die Auftritte von Thee Oh Sees und BRNS genannt, die uns als grandios geschildert wurden. Auch soll die abschliessende Afterfestival-Party im Maimarktclub mit Kid Simius und den King Kong Kicks Djs (Frage: Warum eigentlich hier keine Djs aus der Region, es gäbe genug davon!) ziemlich gut gewesen sein.

Ok, jetzt ist aus der Berichterstattung im „derbytauglichen Galopp“ doch eher ein Langstreckenrennen geworden. Aber es lohnt sich einfach, das Maifeld-Derby in Mannheim etwas ausführlicher zu betrachten. Wir verabschieden uns und freuen uns schon auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr.

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